Vor ca. 1200 Jahren wurde das Kloster Engelbrechtsmünster gegründet:
Für die jetzige auf irdische Werte eingestellte Zeit, ist der Vorgang der ca. 1200 Jahre zurückliegt, unvorstellbar. Ein adeliger Großgrundbesitzer aus unserer Gegend übergibt seinen Besitz einem neu gegründeten Kloster und wird dessen erster Abt. Die Rede ist von Siegfried vom Ilmkloster Engelbrechtsmünster, das im Dezember 820, also vor ca. 1200 Jahren gegründet wurde.
Die Hauptmotive der zahlreichen Klostergründungen im 8. und 9. Jahrhundert lagen wie bei den Schenkungen im Religiösen. Wenn reiche Großgrundbesitzer ein Kloster gründeten und dort selbst das schwere Joch der Benediktinerregel als die Ersten auf sich nahmen, so spricht das deutlich für die reine Gesinnung der Stifter. Sicherung des ewigen Heiles, Flucht vor der Welt, ewige Ruhe für die Verstorbenen der Sippe werden die Beweggründe gewesen sein.
Von diesem Geiste erfüllt war auch der Edle Siegfried, dessen Eltern in Niederlauterbach einen Adelssitz, ein Herrenhaus besaßen, in dem sie wenigstens zeit weise wohnten, wo Siegfried geboren wurde. Der mittlere Ilmgau und damit auch das Gebiet von Lauterbach gehörten im 9.Jahrhundert der edlen Sippe der „Fagana“, die gleich dem Herzogsgeschlechte der Agilofinger zum bayerischen Adel gerechnet wird. Zu diesen adeligen Großgrundbesitzern der Fagana zählte wohl auch der Edle Amalpreht, in welchem der Historiker Riezler den Vater des durch seine großartige Stiftung bekannten Abtes Siegfried vermutet.
Eine Urkunde vom 8.Februar 821, die über einen Vorgang vom 2. Dezember 820 berichtet, stellt Siegfried und alle Orte, wo er seine Güter hatte ins Licht der Geschichte. Diese Urkunde gibt uns Nachricht von einem Regensburger Eigenkloster an der Ilm (Amalprethmünster = Engelbrechtsmünster). Der Edle Siegfried hatte dort mit seinen Eltern zur Dotierung dieses Rodungsklosters einen umfangreichen Grundbesitz ausgesetzt und war schließlich selbst an die Spitze dieser Stiftung als Abt getreten.. 820 übergab er nach längeren Verhandlungen sein Kloster und sein gesamtes Erbe der Abtei St. Emmeram in Regensburg, wo Abt und Bischof Baturius der gegenwärtige Leiter war. Einleitend heißt es in dieser Urkunde: „Solange uns der barmherzige Gott das irdische Leben schenkt, dürfen wir des himmlischen nicht vergessen. Wir wollen daher unsere zeitlichen Güter aus Liebe zu Gott mit Herz und Hand an die Stätten der Heiligen geben, damit der Herr, wenn er zum Gerichte kommt, uns nach unserem kurzdauernden Leben in überreicher Fülle die Herrlichkeit verleihe.“
Ich Abt Siegfried, nicht wissend, was der kommende Tag bringt, habe mich nach reiflicher Überlegung entschlossen zum Heile meiner Seele, der Seele meiner Eltern und Verwandten, durch deren Freigebigkeit dieses Ilmkloster aus Liebe zu Gott und zu Ehren des hl. Benedikt gegründet wurde, meine Besitzungen an der Ilm, die ich ererbt habe, dem Kloster St. Emmeram zu übergeben, nämlich:
Hlutirinpah (Lauterbach) mit Kirche, Hof und Haus und allen Gebäuden und jeglichen Leibeigenen, mit Äckern, Wiesen, Weiden, Wald, Weihern und deren Abflüssen, mag es kultiviert sein oder nicht. Es werden dann 70 Leibeigene und Hörige in Lauterbach aufgezählt; ferner Bevinhausen (Pöbenhausen) mit Kirche, Hof und 53 Leibeigene , in Ilme vicus (Ilmendorf) Kirche, Rodgeltinga (Rockolding) Kirche und 53 Leibeigene, außerdem Besitzungen um Tomlingen (Demling b. Kösching) 10 Leibeigene, Westinsteti (Wettstetten bei Gaimersheim), Pfaldorf (Eichstätt) und Schwabelweis.
Doch soll all dieses Gut dem Siegfried zeitlebens verbleiben. Ferner wurde vereinbart, dass nach Siegfrieds Tod immer nur ein geeigneter Mann aus der eigenen Sippe oder ein Mönch aus Engelbrechtsmünster die dortige Abtwürde erhalten sollte.
Die Stiftung umfasste weiter die Besitzungen Siegfrieds in Vogtareuth (Ldkr. Rosenheim), Moosinning (Ldkr. Erding) und Böhmischbruck (Ldkr. Vohenstrauß), alle drei später Propsteien wie Lauterbach. Die Stiftungsurkunde wurde am 8.Februar 821 vor dem Altare der Abteikirche des hl. Haimram in Regensburg in Gegenwart des Abtbischofs Baturich unterzeichnet von Abt Siegfried, Diakon Ellenhart und nach bajuw. Gesetz von 40 Zeugen!
Siegfried, Abt des Klosters Engelbrechtsmünster, war von 820 Mönch, von 822-830 Probst und Dekan der Abtei St. Emmeram, starb 830 am 9.August, nachdem er dem Kloster 7 Jahre, 9 Monate und 13 Tag vorstand.
Aus dieser Urkunde können wir auch die Verhältnisse der Leibeigenen ersehen, denen damals Aufstiegsmöglichkeiten nicht verwehrt waren:
Siegfried schenkte in Lauterbach die Kirche mit einem Gut, Herrenhaus und Gebäuden mit schollengebundenen und ungebunden Leibeigenen. In einem Haus wohnten Beffo und seine Frau Mezhilda sowie wohl deren Sohn Balduin mit seiner Frau Kersuinda zusammen mit ihren Leibeigenen Wunigodo, Mezhilda, Hitta und Bobila, insgesamt also acht Personen. Im nächsten Haus wohnten fünf Menschen wie auch im dritten, im vierten waren es vier Personen, im fünften fünf, im sechsten fünf, im siebten drei, im achten sechs, im neunten fünf, im zehnten sieben und im elften einundvierzig!!!
Das Beispiel der angeführten Familie zeigt, dass Leibeigene selbst noch einmal Leibeigene besitzen konnten. Wurden erstere von ihren Herren verschenkt, waren letztere mit gemeint. Die gleichen Verhältnisse gelten für die zehn zuerst genannten Familien. Die elfte, größte, stellt andere Zustände vor. Ein freigeborener Handwerker Afbald war mit Sigfrieds Leibeigener Kisa verheiratet. Sie, ihre Kinder und die Mancipien im Hause wurden von Siegfried verschenkt.
Freigeborene, die wie Afbald alles andere als adelig lebten, heirateten also durchaus Leibeigene, ohne darauf zu achten, dass ihre Kinder nach dem Gesetz der ärgeren Hand in die Leibeigenschaft absanken. Die Unterschicht der Freien unterschied sich denn auch in der Lebenshaltung nicht von den Unfreien, so wie Leibeigenen durchaus adelsgleich leben konnten.
Siegfried hatte dem freien Handwerker Afbald eines seiner Häuser zur Verfügung gestellt – sonst hätte der ja nicht darin gewohnt – , die große Zahl von Leibeigenen darinnen, hörig, waren gewiss Helfer des Afbald, zumal 23 von ihnen ausdrücklich als zum Handel gehörig bezeichnet werden. Wir können also annehmen, dass Afbald im Auftrage Siegfrieds in dessen Gebäuden sein Handwerk ausübte und wohl auf eigene und Siegfrieds Rechnung einen schwunghaften Handel mit seinen Erzeugnissen führte.
Der erste größere Handwerksbetrieb, den uns die Quellen vorführen, verweist uns damit auf neu belebtes Geldwesen, denn dieser Betrieb war zu groß, um auf der Basis der Selbstversorgung und des Tauschhandels bestehen zu können.
Die Ehe mit einer Leibeigenen gab Afbald einerseits die Möglichkeit der Ausübung von Handwerk in großem Stil, andererseits bedeutete sie sozialen Abstieg, während seine Frau sicherlich eine Hebung ihres Ansehens erfuhr – und damit sozialen Aufstieg. Und noch etwas: Ein Freier ist Handwerker: Darin müssen soziale Wertungen körperlicher Arbeit impliziert sein!
Es dürfte sich dabei um einen der ersten größeren Handwerksbetriebe in unserer Gegend gehandelt haben. Leider können wir dessen Schicksal nicht weiterverfolgen, es liegt genauso im Dunkel der Geschichte, wie das Schicksal des Ilmklosters von Engelbrechtsmünster. Man vermutet, dass es bei den Ungareinfällen (ca. 950) zerstört wurde. Eine Wiedergeburt erfuhr das Kloster in Geisenfeld, durch Graf Eberhard im Jahre 1030 (ebenfalls nach den Regeln des hl. Benedikts).